9 - An meinen Haaren

An meinen Haaren möchte ich sterben
von SOPHIE REYER
Ein Theaterpoem mit imaginären Bühnenbildern von Harald Häuser
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5. Szene

Ossa wacht in einem Gefängnis auf.  Anstatt eines Kopfes hat sie einen Flachbildschirm, auf dem ihr Gesicht zu sehen ist. Wulian ist wieder zu einem weißen Kaninchen ohne Ohren zusammen geschrumpft.

Wulian: Guten Morgen, Sonnenschein.

Ossa: Wer?

Wulian: Kannst du mich sehen, Sternenkind?

Ossa: Natürlich. Warum fragst du?

Wulian greift nach Ossas Händen und zieht sie in die Höhe, sodass Ossa ihr eigenes Gesicht abtasten kann.

Ossa: Ein bisschen eckig mein Gesicht. Nicht?

Pause. Wulian antwortet nicht.

Haben wohl hart geschlafen. Was?

Wulian?

Wulian: Sonnenschein und Sternenkind. Gut, dass du nicht blind bist.

Ossa: Wie?

Wulian: Also, dein Gesicht. Das ist jetzt ein Bildschirm. Aber: Don´ t worry.

Ossa: Du weinst?

Sie will Wulian in den Arm nehmen und drücken.

Wulian: Pass auf. Stichst mir fast das Auge aus.

Ossa: Ich versteh nicht.

Wulian: Bist nur ein bisschen eckig.

Ossa: Ich bin ein Quadratschädel. Scheiße.

Wulian: Fast wärst gestorben. Sie haben dich ohne Kopf ins Gefängnis geworfen. Konntest gar
nicht mehr atmen. Hab sie reden gehört.

Ossa: Wen?

Wulian: Die Reptilienrapper.

Ossa: Verstehe. Und was haben die denn gesagt?

Wulian: Dass sie dich noch brauchen. Waren eben zu heftig zu dir. Dass du vielleicht der Niemand bist, den sie suchen. Verstanden hab ich das auch nicht.

Ossa: Ich bin doch kein Niemand.

Wulian: Die Reptilienrapper sind kindisch manchmal. Wie alles, was gern an der Macht ist. Sie handeln nur. Denken nicht nach. Jedenfalls: Du konntest nicht atmen. So ganz ohne Kopf. Verständlich, oder?

Ossa: Sind meine Augen noch braun?

Wulian: Wie die Erde. Rau und behaglich.

Ossa: Ehrlich?

Sie beginnt zu weinen.

Wulian: Wein nicht. Es ist nur ein Kopf. Du bist nicht dein Kopf, Kind. Der Kopf ist nur Kino. Und außerdem: Hast einen Flachbildschirm. Beste Qualität.

Pause. Ossa weint weiter.

Wulian: Alles wird besser.

Ossa: Wer sagt das? Und außerdem: Bin ich nicht Niemand.

Wulian: Was wissen die schon.

Ossa weint ganz heftig. Sternenprinzessin öffnet die Gefängnistüre und schleicht in den Raum hinein.

Sternenprinzessin: He. Hallo.

Ossa: Was?

Wulian: zur Sternenprinzessin: Halt die Klappe.

Sternenprinzessin: Du weißt wohl nicht, wer ich bin. Ich bin die Sternenprinzessin.

Teddymacho kommt der Prinzessin nachgerannt und will sie umarmen.

Hände weg. Sonst lass ich dich sterilisieren. Ehrlich.

Ossa: Wer bist du?

Sternenprinzessin: Du hast ein Bildschirmgesicht.

Ossa: Schon möglich. Ich hab auch einen Strahlenkater. Und einen Drachen.

Sternenprinzessin: Das ist ein Kaninchen.

Ossa: Sagst du. Aber wart, bis es nacht wird.

Teddymacho: Macho mag Plüschliebe machen.

Sternenprinzessin: Was hab ich gesagt? Halt die Klappe.

Ossa: Lass ihn.

Sternenprinzessin: Was ist denn ein Strahlenkater?

Ossa: Ein starkes Kopfweh. Vom Kotzen und so.

Sternenprinzessin: Also kein tolles Tier.

Ossa: Nein. Eine Krankheit, der Strahlenkater.
Der kam von dem Schwammerl. Das am Himmel explodiert ist.

Sternenprinzessin: Das haben die Sterne gar nicht erzählt.

Ossa: Die sind auch weit weg. Denen ists egal, was weggebombt wird.
Meine Eltern. Die waren mal. Weißt du.
Alles vorbei.

Strenenprinzessin: Ich leb auf einem Wolkenkratzerbettchen. Hab das alles gar nicht
gesehn. Ihr Armen.
Zum Teddy. Nimm die Pfoten weg, Macho.

Ossa: Ja, arm. Und ich hab kein Gesicht mehr. Man sagt, das ist alles die Schuld der Queen.

Sternenprinzessin: Ehrlich.

Ossa: Ja. Und du. Woher kommst du?

Sternenprinzessin: Aus einem pinken Plüschzimmer. Da ist alles, was du dir wünschst. Watte Bausch Betten weißwieschnee. Aufziehbare Spielzeugklaviere. Teddy Macho und andere Stofftiere mit haarigen Pfoten. Leucht Sticker, Lollies, Lutschbonbons.

Ossa: Schön. Ich wohn in den Trümmern. Seit meine Eltern nimmer sind. Weißt.

Sternenprinzessin: Du glückliche. Weißt, diese Weichheit ist langweilig. Ich reib mir die ganze Zeit die Haut mit einem Reibeisen ab. Dass es runter segelt auf die Welt. Dass wer kommt, der mich aufweckt am Morgen. Der mit mir spielt.

Ossa: Also spielen. Das kann ich.

Sternenprinzessin: Ehrlich?

Ossa: Und wie. Wir könnten gemeinsam die Sterne auspusten gehen. Ihnen gute Nacht sagen, was meinst?

Sternenprinzessin: Tolle Idee!


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