14 - An meinen Haaren

An meinen Haaren möchte ich sterben
von SOPHIE REYER
Ein Theaterpoem mit imaginären Bühnenbildern von Harald Häuser
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Der Erleuchtete wird von einem Haufen Vogerln auf einem riesigen Polster herein getragen. Er ist ein Hasendrache aus pinkem Plüsch. Vielleicht sieht er auch ein wenig wie ein Schwein aus. Er hockte an einem kitschigen Altar, eine Spieluhr, auf der Ikonen und Buddahstatuen tanzen, sind durch ein schlauchartiges Ding mit ihm Verbunden, das an eine Nabelschnur erinnert. Diese können sich in Bewegung setzen. Ähnlich einer chinesischen Drachenmaske besitzt der Erleuchtete ein breites Maul mit roten Zähnen und hat große blaue Augen. Der Raum ist in einen meditativen Zustand gehüllt, alles hell und sehr weich, auch wenn der Schrein ein wenig an einen der großen Glaskästen einer biederen Großmutter erinnert.

Erleuchteter Plüschhase: Ich bin der erleuchtete Hase.
Ich fresse alle Strahlenkater.
Auch deinen.
Schau.
Aber du: Schneeprinzessin.
Du bist trotzdem traurig.

Schneeprinzessin: Ja. Alle reden in Rätseln.
Meine Mutter ist böse.
Die Sphinx ist zu klug um zu sprechen.
Ich bin echt am Ende.

Erleuchteter Plüschhase: Erkenne, dass du eine Puppe bist.
Eine Maschine.
Wie ich.
Wie Ossas Bildschirm Gesicht.
Auch deine Traurigkeit ist eine Maschine.
Sie rennt und sie rennt.
Und wenn du nicht aufpasst, dann rennt sie noch weiter wenn die Welt dich selbst schon
gar nicht mehr kennt.
Ehrlich.

Schneeprinzessin: Das klingt gefährlich.
Aber wer macht das.

Erleuchteter Plüschhase: Ach, nur das Ich.

Schneeprinzessin: Und wie?

Erleuchteter Plüschhase: Es denkt sich die Traurigkeit,
weil es nicht fühlen kann.

Schneeprinzessin: Und wenn es sie fühlt?

Erleuchteter Plüschhase: Dann geht es zu Grunde.
Nichts weiter.

Schneeprinzessin: Aber wer will denn das.

Erleuchteter Plüschhase: Niemand.

Schneeprinzessin: Also darum muss ich Niemand werden?

Erleuchteter Plüschhase: Nein. Ja. Egal. Aber vorher gilt es noch, die Schichten abzuschütteln. Kennst du die Puppen in der Puppe?

Schneeprinzessin: Ja. Die hab ich auch.
Also: Gehabt.

Erleuchteter Plüschhase: Also dann pass auf: Denn jetzt beginnt der Tanz.

Ein Industrial- Beat setzt ein; der Plüschhase beginnt, zu  tanzen und zu singen.

Es gibt einen Weg, aber keinen, der ihn gehen kann.
Es gibt Flügel, aber keinen, der fliegt.
Es gibt ein Echo, aber keinen, der singt.
Es gibt Ohren, aber keinen, der hört.
Es gibt eine Sprache, aber nichts, was sie sagen kann.
Es gibt eine Sonne, aber niemanden, der scheint.
Es gibt ein Scheinen, aber keines, an das sich glauben ließe.
Es gibt eine Liebe, aber keine, die Spuren hinterlässt.
Es gibt eine Hand, aber keinen, der sie ausstreckt.
Es gibt eine Angst, aber keinen, der sie fühlen kann.
Es gibt Gedanken, aber keinen, der sie denkt.
Es gibt einen Tod, aber keinen, der ihn sterben kann.
Und einen Schatten, aber keinen, der mit ihm fliegt.

Song Ende.

Schneeprinzessin: Was heißt das? Du machst mich wütend.
Redest in Rätseln.
Das ist gemein.
Aber man kann dich nirgendwohin wegstoßen, weil du überall bist.
Ehrlich. Das ist ein fieser Trick.

Erleuchteter Plüschhase: Ich bin Niemand und alles.
Egal.
Und in diesem allen auch Ossa.
Schau.

Indische Tanzmusik ertönt. Der Plüschhase beginnt, sexy zu shaken. Er singt.

Die Puppe rollt mit dem Köpfchen gegen die Wand. Autsch. Und diese Erschütterung im Unterleib. Da bricht sie doch glatt in der Mitte auseinander, und einmal zwei ist zwei. Stimmt aber in dem Fall nicht, weil die Puppe ein Ei legt. Was auch nicht wahr ist, nein. Ich meine: Aus der Puppe kommt was raus, das sich selbst gebiert. So ist es nämlich mit den Kindern, die gebrochene Mütter haben: Sie müssen sich alleine zur Welt bringen, leider. Also, aus der Puppe schält sich etwas raus, das sich- raten Sie mal- als Puppe entpuppt. Ehrlich. Also wer da nicht kichern muss. Es ist nämlich das Gesetz des Zerbrechens, dass das, was sich teilen muss, nicht weniger wird sondern mehr. Sie verstehen? Mit der Liebe zumindest ist das so. Oder? Also.

Die Schneeprinzessin rollt herum, bricht auseinander und die Queen of the Biomacht erscheint.

Schneeprinzessin: Mama.

Die Queen rollt weiter.

Erleuchteter Plüschhase: Jedenfalls hat auch diese Puppe nicht viel Zeit, denn das Leben ist flutschig und der Boden glatt. Also kullert sie. Die Puppe. Rollt mit dem Köpfchen gegen die Wand. Und diese Erschütterung im Unterleib. Da bricht sie doch glatt in der Mitte auseinander, und einmal zwei ist zwei. Stimmt aber in dem Fall nicht, weil die Puppe ein Ei legt. Was auch nicht wahr ist, nein. Ich meine: Aus der Puppe kommt was raus, das sich selbst gebiert. So ist es nämlich mit den Kindern, die gebrochene Mütter haben: Sie müssen sich alleine zur Welt bringen, leider. Also, aus der Puppe schält sich etwas raus, das sich- raten Sie mal- als Puppe entpuppt. Ehrlich. Also wer da nicht kichern muss. Es ist nämlich das Gesetz des Zerbrechens, dass das, was sich teilt, nicht halb wird sondern mehr. Sie verstehen? Mit der Liebe jedenfalls ist das so. Oder? Also. Jedenfalls hat auch diese Puppe nicht viel Zeit, denn das Leben ist flutschig und der Boden glatt. Also kullert sie. Die Puppe. Rollt mit dem Köpfchen gegen die Wand.

Wieder rollt die Schneeprinzessin umher und zerbricht. Ossa steht auf einmal vor ihr. Die Musik stoppt ab.

Schneeprinzessin: Ich bin Ossa in mir.
Und ich bin die verschwundene Ossa.
Ich bin der leere Bildschirm und ich bin die Bindehaut zwischen den Dingen.
Die Zeit zerkaut mich.
Au.

Ossa zerbirst in Scherben. Schneeprinzessin leidet.

AU!
Das tut weh.
Das ist tröstlich.
Das fühlen.
Sie ist weg, Ossa.
Weg. Und auf immer.
Und in mir.
Und nein: Und nirgendwo.
Und Niemand.

Kurze Pause. Sie fängt sich. Der erleuchtete Plüschhase sitzt in Yoga- Position in einer Ecke und lächelt.

Ich bin Niemand.
Endlich bin ich Niemand.

Sternenchor stimmt ein.

Sternenchor und Sternenprinzessin: Ich sing, ich sing, kein Echo.
Ich flieg, ich flieg, kein Schatten.
Ich geh im Sand, seh meine Spuren nicht mehr.
Ich schrei und der Schrei schießt zurück in den Rachenraum, ehrlich.  
Ich schau, ich schau, kein Bild mehr.
Ich beiß, ich beiß, kein Fleisch.
Ich dreh mich und hab keine Mitte.
Ich beweg mich und bin starr wie Stein.  
Ich schrei, ich schrei, kein Schrei.
Ich atme, der Nabel, der Bauch, nichts hebt oder senkt sich mehr, ehrlich.
Ich flieg, ich flieg, kein Schatten.
Ich steh, ich steh, kein Abdruck.
Ich geh im Sand, seh meine Spuren nicht mehr.
Ich rinne aus an die Landschaft im Innern.
Ich renne, ich renne, kein Luftzug.
Ich brenne, ich brenne, kein Feuer.
Ich fliege, kein Schatten.
Ich singe, kein Echo.
Ich sehe, kein Bild.
Ich sprech, keine Worte, Bedeutungen, ehrlich.
Ich wein, keine Tränen-
Ich lach ohne Falten und bin jetzt im Andern da ist nur ein wir.
Und wir lieben uns.
Ehrlich.
Ehrlich.

Sternenprinzessin (alleine): Und ich, ich bin alle. Und Niemand.

Schneeprinzessins Bauch beginnt auf einmal sehr rasch zu wachsen.

Niemand kriegt ein Kind von Ossa.

Wulian: Bist du sicher, es ist nicht von Teddymacho.

Schneeprinzessin: Egal. Es ist doch von Niemand.
Was kümmert einen der Rest.


12. Szene

Queen of the Biomacht: Dein Blick der nie abweicht. Dein Körper der Herzens Klang. Wie er in mich hinein lappt. Aus dem Hinter Halt die Augen als Zelt aufklappt. Take me, fick mich, trag mich aus. Queen of the Biomacht.

Dein Blick der mir wieder den Riss beibringt und das Glück. Atem im Atem, eingeflochten in Körper Systeme sein wollen, weil du darin vor kommst: I am your boygirl, milk bitch, dein Säuglings Fick.

Du wirst mich nieanders lieben als mit Augen, wetten. Mein Körper tanzt alleine, meine Lust ist nichts als ein Daten Strom: Emails, Postings, dich von Papier Drachen schreiben lassen, Fick ohne Leib. Sagen wir: Vorstellung Fick. Spielen Verstecken hinter binären Codes: Du kriegst mich ich dich nicht. Queen of the Biomacht.

Deep Sweetheart. Von Blicken inspiriert. Der Fick nur als Möglichkeitsform, der Wimpern Schlag ein Orgasmus, die Lider Leiber. Traun sich nicht. (Traum). Sehn sich nur in der Dunkelheit an, wenn die Lichter der Kino Leinwände auf den Gesichts Zügen schimmern: Liebe aus dem Hinterhalt. Immer schon verloren, ausgemalt, versponnen. Schlag die Beine auf den Ledersesseln übereinander, dreh dich zu mir, i am a bitch, aber nur in der Dunkelheit. Als könnte man Scham sehen. Na egal. Wär ich gern deine Sehnsucht. Lieber noch: Ichrest mit Flügelchen, so zertrümmert im guten alten Du. Queen of the Biomacht

Wenn nur im Chatprofil zu sehen ist, dass du online bist: Einzige Liebesmöglichkeit, einzige feuchte Freude. Queen of the Biomacht.


Meine Tochter war Niemand?
Brennt sie nieder.
Alle.
Die Bohnen, die Rapper.
Feuerschwammerl hoch zehn.
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